Eine Prozesslandkarte liegt in vielen Unternehmen bereits vor. Doch so richtig hilfreich ist sie nicht? Alle haben einmal darauf geschaut, jedoch kein zweites Mal?
In diesem Beitrag möchte ich Dir zeigen, woran das liegen kann und wie Du es änderst.
Prozesslandkarte 1.0 - funktionsorientiert
In der Prozesslandkarte gibt es die Kategorien Managementprozesse, Kernprozesse und unterstützende Prozesse? Die Bereiche Deines Unternehmens sind chronologisch in Pfeilen angeordnet? Alle Darstellungen enthalten Substantive wie Einkauf? Eure Prozesslandkarte ist eine Darstellung, die auf ein Blatt passt? So sieht oft die Version 1.0 der Prozesslandkarte aus.
Sie ist im Kern eine andere Anordnung der Bereiche. Oder besser gesagt: ein anders sortiertes Organigramm.
Deshalb nenne ich eine solche Prozesslandkarte funktionsorientiert.
Hindernisse bei der Entwicklung der Prozesslandkarte von funktionsorientiert zu prozessorientiert
Ihr merkt, dass da etwas fehlt, und könnt es nicht so gut greifen. Lass uns zusammen schauen, woran das liegt:
Organigramm ist mangelhaft
Ist auch Dein Unternehmen über die Jahre gewachsen? Hat es personelle Veränderungen gegeben?
Wahrscheinlich wirst Du beide Fragen bejahen.
Doch ist auch das Organigramm mitgewachsen? Also: Wurde es angepasst, und zeigt es, wer wo arbeitet und was verantwortet?
Hier wirst Du wahrscheinlich stocken und überlegen, ob Du die Fragen noch mit Ja beantworten kannst.
Ich habe beobachtet, dass die Pflege des Organigramms oft vernachlässigt wird.
Es gibt eine grobe Darstellung der Aufbauorganisation, die die Bereiche und Bereichsleitenden sowie die Abteilungen zeigt. Doch wie viele oder welche Personen hier arbeiten, wird nicht zentral gepflegt.
Es gibt weitere Organigramme in den Abteilungen. Sie werden so aufgestellt und gepflegt, wie es die Abteilungsleitenden für notwendig halten. In der Folge kennen nur die Mitarbeitenden der Abteilung die Zuständigkeiten in ihrem Bereich. Für andere sind diese nicht einsehbar.
Meist sind die Übersichten mit der Überschrift ‘Organigramm’ eine Mischform. Sie enthalten nicht nur klassische Stellen, also eine fachlich-hierarchische Zuordnung. Sie sind zum Teil auch eine Projektübersicht, die die vorübergehend von Personen wahrgenommenen Tätigkeiten, wie Umstellung des ERP-Systems, aufweisen. Oder die Tätigkeiten, die sie für andere Arbeitskreise ausüben, beispielsweise als SAP Key-User.
Problem:
Durch die vernachlässigten Organigramme ist nicht wirklich klar, wer für was zuständig ist. Und das wiederum macht das Erkennen der Prozesse schwer.
Prozesskenntnis ist nicht ausreichend
Das Dilemma geht damit weiter, dass nicht messerscharf klar ist, was ein Prozess ist – modelltheoretisch.
Ich meine damit, dass das abstrakte Verständnis der Prozesswelt – ohne einen Bezug zu den Abläufen in Deinem Unternehmen – fehlt. Und das wiederum macht das Erkennen der eigenen Prozesse schwer.
Problem:
Zuschnitt und Detaillierungsgrad eines Prozesses sind mit den üblichen Definitionen, die Input, Output und Aktivitäten adressieren, zu variabel.
Das habe auch ich erst nach zwei Jahrzehnten Beratungstätigkeit erkannt.
Zuvor habe ich mich mit einzelnen Prozessbeschreibungen begnügt. Dann änderte sich das: Ich habe meinen Blick auf das große Ganze gerichtet, auf das Bild, wie alle Prozesse im Unternehmen als Prozessketten zusammenwirken.
Ab diesem Zeitpunkt war es nicht mehr egal, wie
- die Prozesse zugeschnitten sind und
- in welchem Detaillierungsgrad sie betrachtet werden
- oder aus welcher Sicht (IT, QM oder Organisation allgemein) man auf sie schaut.
Ich musste mich mit dem Thema Prozess intensiver auseinandersetzen. Erst dann konnte ich eine gute Prozesslandkarte bauen. Denn die Prozesslandkarte ist die Übersicht über die Prozessketten, und diese wiederum sind die Aneinanderreihung von Prozessen.
Prozessketten kann man nur bilden, wenn alle Teile aneinanderpassen. Genauso wie wir nur dann ein Puzzle zusammenlegen können, wenn die Puzzleteile zueinander passen. Wir müssen mit einem sauberen Zuschnitt des Prozesses beginnen.
Quasi auf dem Weg zu einer aussagekräftigen Prozesslandkarte habe ich mich mit dem Begriff des Geschäftsprozesses auseinandersetzen müssen. Leider musste ich feststellen, dass es nicht viel hilfreiches Material gab.
Du jedoch hast diese Herausforderung nicht mehr. Du kannst auf mein Buch zurückgreifen, das sich ausführlich mit dem Thema ‘Was ist ein Geschäftsprozess?’ beschäftigt.
Muster guter Prozesslandkarten sind rar
Für die Erstellung der Prozesslandkarte 1.0 hast Du Dich wahrscheinlich an einer im Netz oder in einem Fachbuch abgebildeten Prozesslandkarte orientiert.
Problem:
Es gibt viele Prozesslandkarten, die zwar mit einer Einteilung in die Prozessarten arbeiten, jedoch keine konkreten Prozessketten zeigen.
So ist es sehr nachvollziehbar, dass diese Muster übernommen wurden. Um das Prozessmanagement Deines Unternehmens weiterzuentwickeln, brauchst Du neue Muster.
Einige Beispiele habe ich im Hauptartikel zum Thema Prozesslandkarte gezeigt. Ich verlinke ihn am Ende des Textes.
Prozessmanagement wird zu klein gedacht
Prozessmanagement wird immer noch zu klein gedacht. Es ist quasi in Kästchen eingesperrt, die Beschriftungen wie “Qualitätsmanagement” oder “IT” tragen. Vielleicht arbeitest Du in einem dieser Bereiche und engagierst Dich, damit auch Dein Management und die Kolleg:innen den Wert der Prozessbetrachtung erkennen.
Problem:
Nur aus Deinem Bereich heraus wirst Du es nicht schaffen, dass das große Ganze – das Unternehmen als solches – gesehen wird.
Das kannst Du nur, wenn Du die richtige Stelle erreichst – Deine Geschäftsleitung.
Und die Geschäftsleitung zu erreichen, wenn Du nicht im direkten Kontakt bist, ist fast unmöglich, oder? Was könnte hier helfen?
Eine neue Sicht auf die Prozesslandschaft. Ein Bild, das es schafft, sich aus dem Denken in Bereichen zu lösen – wie es zumeist in der Prozesslandkarte 1.0 noch abgebildet ist. Du brauchst eine Prozesslandkarte, die alle Prozesse in Prozessketten zeigt und in der sich alle Mitarbeiter:innen wiederfinden.
Die Prozesslandkarte 2.0 kann – wenn sie gut gemacht ist – den Blick auf das Prozessmanagement verändern. Sie wird zu etwas Bekanntem, etwas, was heute selbstverständlich ist. Das wiederum öffnet Möglichkeitsräume, sich aus dem Denken in Bereichen (oder Silos, wie wir manchmal diskreditieren) zu befreien.
FAZIT
Prozesslandkarte 2.0 – prozessorientiert
Eine Prozesslandkarte ist eine Übersicht, die es schafft, die Ablauforganisation des gesamten Unternehmens zu zeigen. Über die Kenntnis der Prozessketten und der Klassifizierung in Prozessarten erlangt das Unternehmen eine neue Sicht auf sich selbst.
Die Überarbeitung der Prozesslandkarte 1.0 ist zuerst eine Auseinandersetzung mit den Begriffen Prozess und Prozesskette. Hier ist ein gutes modelltheoretisches Verständnis notwendig.
Wann ist ein guter Zeitpunkt für die Prozesslandkarte 2.0?
Er ist gekommen, wenn Dein Unternehmen den Zugang zur prozessorientierten Organisation sucht. Du bist die Person mit der Expertise für Prozesse und kannst der Geschäftsleitung den Unterschied zwischen einer funktionsorientierten Prozesslandkarte 1.0 und einer prozessorientierten Prozesslandkarte 2.0 zeigen.