Die eigenen Prozesse, seine täglichen Arbeitsabläufe, die kennt man aus dem Effeff. Doch was der Kollege nebenan am Schreibtisch genau macht, weiß man nicht. Und bei den Kollegen eines anderen Bereiches, kann man nur noch vermuten.
Wenn man wissen möchte, wie das Unternehmen funktioniert, dann wünscht man sich transparente Prozesse. Also Klarheit, wer was, warum, womit und wofür macht. Im Kleinen für jeden Mitarbeitenden, wie auch im großen Ganzen für die Funktionsweise des Unternehmens.
In diesem Artikel gebe ich Dir eine Übersicht, wie Du transparente Prozesse im Unternehmen erreichst.
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Prozesse verstehen
Etwas, was wir es nicht anfassen können, zu verstehen ist schwer. So fällt es uns auch schwer, Prozesse zu verstehen.
Wir behelfen uns mit Definitionen. Im Fall von Prozessen gibt es über 20 Prozessdefinitionen. Die meisten verwenden Ausdrücke wie Input, Output und Aktionen, um den Prozessbegriff zu erklären. Doch diese Ausdrücke sind ebenso wenig greifbar, wie der Prozess selbst.
Was hilft?
Einfacher für uns ist es, wenn wir abstraktes vergegenständlichen. So wie wir das Sonnensystem und die Planetenbahnen in einem Modell abgebildet haben, so müssen wir auch Prozesse in einem Prozessmodell begreifbar machen.
Doch Prozessmodelle sind rar. Viele haben den Titel Modell, sind dann jedoch eher eine hierarchische Abbildung von Prozessbegriffen, die selbst nicht weiter erklärt werden.
Du siehst:
Die Herausforderung besteht schon darin, Prozesse zu verstehen. Den Prozessbegriff können wir nicht ohne ein Prozessmodell greifbar machen. Erst wenn wir verstanden haben, wonach wir eigentlich suchen – erst dann haben wir eine reale Chance, Prozesse transparent zu machen.
So schaffst Du transparente Prozesse
Prozesse können in unterschiedlichen Detaillierungsgraden dargestellt werden. Wir brauchen diese, um sowohl das Unternehmen als großes Ganzes als auch Zwischenstufen bis hinunter zum kleinsten Detail zu verstehen.
Die gute Nachricht:
Wir brauchen nicht alle Informationen sofort und wir brauchen nicht alle Detaillierungsgrade sofort. Wir können mit einem mittleren Betrachtungsbereich anfangen. Und das ist der Bereich, in dem sich die Mitarbeitenden gut auskennen: es sind die Arbeitsabläufe in ihrer Abteilung. Anders gesagt: Es ist das, was sie täglich tun.
Beginne damit Prozesse greifbar zu machen
Um Prozesse transparent zu machen, empfehle ich mit einer Liste der Prozesse zu beginnen. Hier trägst Du alle Titel der Prozesse und den Ausführungsort ein. Mit Hilfe des Giersberg®-Prozessmodells können die Prozesse aus dem Organigramm herausgelesen werden. Der große Vorteil des Giersberg®-Prozessmodells ist die Erklärung, wie Aufbau- und Ablauforgnisation zusammenhängen. So kannst Du in kürzester Zeit und ohne Befragungen eigenständig die Prozesse auf Ebene 3 ermitteln.
Wie das geht, lernst Du beispielsweise im Sprint 1 'Prozesse identifizieren'.
Mit der Liste der Prozesse hilfst Du allen Beteiligten zu verstehen, worüber ihr euch unterhalten wollt. Doch eine weitere Vorarbeit ist notwendig, um Prozesstransparenz zu erlangen.
Verstehe den zeitlich-logischen Verlauf in Prozessketten
Die Unterscheidung von Prozessen und Prozessketten ist hilfreich, um zu verstehen, wie die Abteilungen einander zuarbeiten und das verkaufbare Produkt oder die Dienstleistung zu erstellen. Welche Prozesse die Abteilungen haben, kannst Du jetzt schon aus der Liste Prozesse herauslesen.
Im nächsten Schritt gilt es das übergeordete Motiv der Zusammenarbeit der Abteilungen zu verstehen. Hier ist der Blick Top Down auf die gesamte Prozesslandschaft hilfreich. Am besten greifbar sind die wertschöpfende Prozessketten, denn sie erzeugen das verkaufbare Produkt oder die Dienstleistung. Auf welchen unterschiedliche Weisen verdient Dein Unternehmen sein Geld? Oder bekommt Zuwendungen für das was es macht? Das sind die unterschiedlichen wertschöpfende Prozessketten. Diese gilt es zuerst zu unterscheiden.
Wenn das vollbracht ist, kann man genauer schauen, aus welchen Prozessen sich die Prozesskette zusammensetzt. Du sortierst die in der Liste gesammelten Prozesse nun nach wertschöpfende Prozessketten. Die Prozesslandkarte hat durch die transparenten Prozessketten an Tiefe gewonnen und Dein Unternehmen hat dann wahrscheinlich zum ersten Mal ein Bild seiner Ablauforganisation.
Prozessausführung nachvollziehen
Die Prozessanalyse, also die Ermittlung wie das Prozessergebnis entsteht, solltest Du keinesfalls vorher beginnen. Zuerst ist die Kenntnis der Prozesse wichtig, damit man sich nicht im klein Klein verliert. Danach ist das Verständnis der zeitlich-logischen Folge hilfreich, damit man nicht Bereich für Bereich sondern entlang der Prozessketten die Prozessausführung aufnimmt.
Die Prozessausführung stellst Du je Prozess in einer Prozessbeschreibung dar. Am besten in einem Ablaufdiagramm, das die wichtigsten Prozessschritte enthält. Damit sind dann sowohl die Prozessketten als auch die Prozesse in einem mittleren Detaillierungsgrad erstellt.
Doch reicht das?
Nein, das reicht nicht. Wir müssen heute alle Informationen zu einem Prozess haben. So ist es auch notwendig, die Prozessausführung im Detail zu kennen.
Prozessausführung im Detail kennen
Jedoch ist es nicht immer notwendig, die Prozessausführung im Detail zu dokumentieren. Wenn die Mitarbeitenden gut ausgebildet sind und es sonst keine Notwendigkeit gibt, kann auf eine detaillierte Prozessdarstellung auf Handgriffebene verzichtet werden.
Was meint, wenn es sonst keine Notwendigkeit gibt?
Zum einen können weitere Ausführungen über gesetzliche, behördliche oder normative Vorgaben gefordert sein. Zum anderen kann es auch sinnvoll sein, eine kleinteilge Arbeitsanleitung beispielsweise für die Verpackung von Versandgut vorzugeben. Hier gilt es nicht überzuregulieren und auch nicht zu oberflächlich zu sein. Meist haben die Mitarbeitenden ein gutes Gefühl, für das was hilfreich ist und was nicht.
Oft ist es eher eine Frage der Form. Traditionell erstellen wir lange Texte. Oftmals sind jedoch Screenshoots für IT-Anleitungen oder Bilderserien für Verpackungsanleitung einfacher nutzbar.
Bisher haben wir aus den Augen der Mitarbeitenden auf Prozesse geschaut. Wenden wir uns jetzt der Verarbeitung von Prozessen in den IT-Svstemen zu.
IT-Prozessausführung kennen
Einige Unternehmen, die viele Daten im Geschäftsmodell verarbeiten wir Banken und Versicherungen, haben frühzeitig begonnen, immer mehr durch die IT verarbeiten zu lassen. Das Eintippen von Kundendaten ist heute quasi unnötig, das sie entweder direkt elektonisch erfasst oder vom System eigenständig aus einem Papier ausgelesen werden.
Mit zunehmender VErarbeitung durch die IT ist auch häufiger der Begriff der Blindverarbeitung aufgetaucht. Meint, wenn die Prozessausführung nicht vor dem Übertrag in die IT bekannt und/ oder eine gute Dokumentation erstellt wurde, dann ist man im Blindflug. Es ist nichtmehr direkt nachvollziehbar, was woher kommt und für was genutzt wurde. Meist fällt das erst auf, wenn die Mitarbeitenden weg sind, die sich noch mit dem Prozess aus Vor-IT-Zeiten auskannten...
Was dann?
Oft wird dann das Process Mining ins Spiel gebracht, dass die Logdaten auslesen und zu Prozessabläufen zusammensetzen kann. Ich bin nicht überzeugt, dass das allein hilfreich ist. Die Verarbeitung in der IT ist nur ein Teil der Prozessausführung. Um Zusammenhänge zu verstehen, ist das ganze Bild erforderlich.
Ich rate jedem Unternehmen zu einer vollständigen Prozesstransparenz, die sowohl die Seite der menschlichen als auch IT-technischen Prozessausführung umfassen muss.
Ganz praktisch sieht das so aus, dass im BPM-Tool den Prozessbeschreibungen der Geschäftsprozesse die Prozessbeschreibungen der IT-Prozesse zugeordnet werden.
Wenn Dein Unternehmen transparente Prozesse möchte, dann braucht es die Information wie alle Prozesse in einer zeitlich-logischen Folge in Prozessketten abgearbeitet werden.
Ich empfehle, nicht einfach loszulaufen und darauf zu hoffen, dass die Prozesse schon irgendwie transparent werden. Es lohnt sich, die Prozessanalyse wie ausgeführt vorzubereiten und darüber hinaus Change-Management und Kapazitäten gut zu planen.
Gerade hier sehe ich oftmals große Mängel. Deshalb rate ich, sich vor der Prozessaufnahme mit der Frage auseinanderzusetzen:
Wollen wir transparente Prozesse?
Das Management steuert die Arbeit traditionell nach Fachgebieten und Zielen, die zu erreichen sind. Wie diese Ziele erreicht werden, wird nur punktuell geregelt. Eine klare Abfolge, wie ein Abteilungsergebnis geschaffen wird, ist nicht bekannt. Irgendwie macht jeder Mitarbeitende seinen Teil.
Bei transparenten Prozessen geht es darum, zu verstehen, wie ein Abteilungsergebnis geschaffen wird. So weit haben wir uns bisher nicht mit den Details der Abarbeitung beschäftigt – und es hat ja auch so funktioniert.
Doch wie in jeder Sportart geht es heute nicht mehr um Sekunden, es geht um Zehntel- oder Hundertstelsekunden. Wenn Dein Unternehmen im Wettbewerb bestehen will, kommt es nicht umhin, sich mit den eigenen Prozessen zu beschäftigen.
Das bringt die Herausforderung mit sich, dass das Vorhaben einige Führungskräfte irritiert. Bisher reichte es, wenn die Abteilungsergebnisse stimmten – jetzt dringt man in das Hoheitsgebiet der Führungskraft ein und will alles transparent machen. Da ist die besorgte Frage von Führungskräften: „Und wofür bin ich noch gut?“ berechtigt.
Es ist Aufgabe der Unternehmensführung, aufzuzeigen, wie sich die Arbeit der Führungskräfte durch aktives Prozessmanagement verändern wird. Passiert dies nicht, kann eine so große unsichtbare Blockade entstehen, dass das Vorhaben wieder verworfen wird.
So bleiben Prozesse transparent
Wenn Du mit Deinem Unternehmen alle Prozesse und deren Ausführung durch Prozessbeschreibungen nachvollziehen kannst – wenn Du weißt, wie die Prozesse End-to-End in Prozessketten durch das Unternehmen laufen –, dann sind die Unternehmensprozesse transparent.
Damit sie transparent bleiben, müssen sie aktuell gehalten werden.
Am besten funktioniert das, wenn das keine dröge Verwaltungsarbeit, sondern eine sinnstiftende Gestaltungsarbeit ist. Anders gesagt: Wenn die Mitarbeiter:innen die Prozessbeschreibung als Handlungsrahmen verstehen, den sie selbst gestalten und anpassen können.
Diese Abkehr vom gewohnten Prinzip des Command-and-Control ist eine große Veränderung. Daran müssen sich Führungskräfte und Mitarbeiter:innen erstmal gewöhnen. Am einfachsten gelingt das, wenn das Prinzip der Selbstwirksamkeit schon bei der Erarbeitung der Prozessbeschreibungen umgesetzt wird. Und die Führungskraft die Mitarbeiter:innen konsequent unterstützt, den in der Prozessbeschreibung dargestellten Handlungsrahmen auszufüllen.
Das ist die wichtigste Zutat, um Prozesse transparent zu halten – jedoch nicht die einzige.
Es braucht Unterstützung von einem zentral koordinierten Prozessmanagement:
- beispielsweise, indem eine einfach zu bedienende und verständliche Plattform für die Ansicht der Prozesse zur Verfügung steht,
- oder auch, indem Prozessmanagement als nützliches System etabliert wird, das Basis aller Managementsysteme ist. Damit werden dann solche aus den ISO-Normen etablierten Instrumente wie regelmäßige Prozessaudits und ein Monitoring der Prozesse etabliert.
- und selbstverständlich, indem transparente Prozesse die Grundlage für automatisierte Prozesse und Softwareunterstützung bilden.
FAZIT - transparentes Prozessmanagement
Irgendwie funktioniert das Unternehmen, doch wie genau, ist nicht bekannt. Jeder kennt seine Abläufe, die den Arbeitsalltag prägen. Um diese Prozesse greifen zu können, brauchen wir ein Prozessmodell wie das Giersberg®-Prozessmodell.
Die Prozesse werden aufgenommen und in Prozessbeschreibungen dargestellt. So entstehen transparente Prozesse – Klarheit darüber, wer was, warum, womit und wofür im Unternehmen macht. Um die Transparenz zu erhalten, müssen die Prozessbeschreibungen aktuell gehalten werden.
Das gelingt am besten, wenn Mitarbeiter die Prozessbeschreibungen als Handlungsrahmen verstehen und von den Führungskräften diesbezüglich bei der selbstorganisierten Arbeit unterstützt werden.
Darüber hinaus bedarf es eines zentral koordinierten Prozessmanagements, das als sich selbst erneuerndes System die Basis für die Umsetzung der Strategie in Prozesse ist.