Wenn Du Deine Prozesse identifizierst, stellst Du fest: Es gibt sehr viele Prozesse.
Wie erhältst Du eine Übersicht, wie die Prozesse laufen und sich miteinander bedingen? In diesem Artikel schildere ich, wie Du Prozesse in ihrem Zusammenhang als Prozessketten betrachten kannst.
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Vielen fällt die Prozessanalyse schwer. Man weiß, dass ein Geschäftsprozess einen Input hat, der mehrere Aktivitäten durchläuft, um einen Output zu generieren. Doch so richtig wird damit nicht klar, wo anzusetzen ist.
Ich habe mit vielen Kundinnen und Kunden großer Unternehmen eine Prozesslandkarte erarbeitet. Ganz viel Zeit ging für Erklärungen drauf, wie wir Prozesse betachten. Das war leider immer wieder notwendig, denn die Definitionen von Geschäftsprozessen waren nicht hilfreich. Es blieben die Fragen offen:
- Von wo bis wo geht ein Geschäftsprozess?
- Wie detailliert ist ein Prozess zu betrachten?
Und weil es hierauf keine eindeutige Antwort gab, kamen die Gespräche nur zäh voran. Jeder hat seinen Standpunkt argumentiert und versuchte die anderen zu überzeugen.
Geschäftsprozesse
Infolgedessen habe ich mich mit dem Begriff des Geschäftsprozesses und dem Zuschnitt von Prozessen sehr tiefgreifend beschäftigt. Herausgekommen ist mein erstes Fachbuch. In diesem erhältst Du die Antwort, was Geschäftsprozesse sind und wie Prozesse zuzuschneiden sind.
Willst Du Deine Geschäftsprozesse versehen?
Prozessketten
Wenn Dir klar ist, was ein Geschäftsprozess ist, dann kannst Du auch ganz einfach Prozessketten bilden.
Was ist eine Prozesskette? Definition Prozesskette
DEFINITION Prozesskette
Eine Prozesskette besteht aus der chronologischen Folge von Geschäftsprozessen mehrerer Abteilungen.
Sie stellt dar, wie durch die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ein Wert für die Kundschaft oder die interne Weiterverarbeitung erarbeitet wird.
Am einfachsten sind Prozessketten zu verstehen, wenn man die einzelnen Prozesse in ihrer chronologischen Abfolge betrachtet. Also mit dem Prozess beginnen, der am Anfang steht und von dem ein weiterer Prozess ausgelöst wird.
Eine Prozesskette fädelt wie eine Kette Prozesse hintereinander auf. So wie sich ein Kettenglied an das Kettenglied reiht, sind Prozesse in logischer Folge miteinander verbunden.
Das Sinnbild der Kette weist darauf hin, dass kein Kettenglied für sich allein steht. Jedes Kettenglied ist mit zwei Kettengliedern verbunden: Einem Kettenglied vor sich und einem hinter sich.
Es gibt nur wenige Kettenglieder, die nur mit EINEM anderen Kettenglied verbunden sind: das erste und das letzte Glied einer Kette.
Die Prozesskette wird durch ein Startereignis (Input) gestartet und läuft Prozess für Prozess bis zum Ergebnis der Prozessfolge (Output).
Bei Prozessketten geht es um die Verknüpfung und Abfolge von Prozessen. Oder anders formuliert: Es geht darum, wie sich die Abteilungen im Unternehmen zuarbeiten.
Wo ist der Anfang und Ende einer Prozesskette?
Mit der Strategie beginnen?
Zuerst den Einkauf und dann die Produktion anschauen?
Besser den Verkauf?
Oder noch zwei Schritte vor - mit der Marktforschung beginnen?
Man könnte überall anfangen.
Wenn wir so auf das Unternehmen schauen, dann betrachten wir es funktionsorientiert. Wir nehmen einen Bereich und suchen hier nach Prozessketten.
Dieses Vorgehen ist jedoch nicht zielführend.
Für das Verständnis von Prozessketten brauchen wir eine andere Sichtweise - die prozessorientierte Sicht auf das Unternehmen. Dafür solltest Du eine Prozesslandkarte erstellen.
Durch die Prozesslandkarte schaust Du ganzheitlich auf Deine Firma. Du ziehst in die Betrachtung ein, was wir im Organigramm immer außen vor lassen: den Kunden.
Wenn wir aus dieser Sichtweise auf das Unternehmen schauen, dann fokussieren wir uns auf den Existenzgrund - den Wert der geschaffen wird. Der Nachfrager dieses Wertes ist der Kunde. Es sind die Personen, die die Produkte und Leistungen benötigen und - im Falle gewinnorientierter Unternehmen - auch kaufen.
Die Prozessketten können nun danach unterschieden werden, ob sie direkt einen Wert schaffen oder indirekt daran beteiligt sind.
Wertschöpfende Prozessketten
In einer wertschöpfenden Prozesskette werden die Prozesse zusammengefasst, die einen bestimmten Wert erzeugen.
Supportende Prozessketten
Die wertschöpfenden Prozessketten brauchen beispielsweise Personal, Material und Infrastruktur. Um das bereitzustellen, sind ebenfalls Prozesse oder Prozessketten notwendig. Diese werden als supportende Prozessketten bezeichnet.
Es gibt einige Bereiche im Unternehmen, die anderen Bereichen zuarbeiten. Hierfür wird manchmal der Begriff des internen Kunden verwendet. Den Begriff selbst halte ich für irreführend, denn die internen Bereiche können sich im Gegensatz zum Kunden nicht aussuchen, wo sie hingehen. Die Tatsache, dass der eine etwas bestellt und andere Bereiche dies liefern, sollte uns jedoch bewusst sein. Deshalb bezeichne ich das als interne Weiterverarbeitung.
Managende Prozessketten
Managende Prozessketten gibt es nicht viele. Denn hiermit sind nicht alle Prozessketten gemeint, die managen - also etwas tun. Das sind ja quasi alle. Aus der Gesamtsicht des Unternehmen, dem Management der Firma, sind es jedoch nur wenige Prozessketten. Erfahrungsgemäß sind diese schwach strukturiert und laufen in großen Zeitzyklen ab, weshalb die Identifikation oft als große Herausforderung empfunden wird.
Was sind End-to-End Prozesse?
Ein Synonym für die Prozesskette ist der End-to-End-Prozess.
Ich nutze den Begriff End-to-End-Prozess selten. Der erste Grund dafür liegt im Prozessbegriff selbst. Ich finde es einfacher, Geschäftsprozesse und Prozessketten zu verwenden statt Prozess und End-to-End-Prozess. Die Welt der Prozesse ist komplex genug, und ich finde einfache Unterscheidbarkeit hilfreich.
Es gibt nicht nur ein Verständnis von End-to-End, es gibt mehrere.
Welche End-to-End Betrachtungen gibt es?
Die am häufigsten gemeinte Betrachtung ist die aus der Sicht der IT. Es ist dann meist der Part in Prozessen gemeint, der von informationsverarbeitenden Systemen durchgeführt wird. Der Lauf der Prozesse durch die Abteilungen und die menschlichen Interaktionen treten bei dieser Betrachtung in den Hintergrund.
Populäre End-to-End Prozesse sind O2C und P2P
- P2P steht für „Procure to Pay“ oder „Purchase-to-Pay“. In diesem End-to-End Prozess werden IT Vorgänge von der Beschaffung über die Vertragsverwaltung bis hin zur Zahlungsabwicklung zusammengefasst.
- O2C steht für Order-to-Cash. Dieser End-to-End Prozess fasst die IT Vorgänge von der Bestellung durch den Kunden bis zur Bezahlung zusammen.
Lange Zeit nahm ich an, dass es sich hier um einen fest definierten Standard handelt. Doch das ist nicht so bzw. auf sehr hohem Abstrahierungsgrad im Sinne von Einkauf ist einkaufen. Beim genaueren Hinsehen gibt es viele Varianten, wie man den Einkauf gestalten kann. Beispielsweise
- mit Einkaufsportal oder Direktbestellungen per Mail
- mit Rahmenverträgen oder nur festen Lieferanten
- mit Bestellanforderung und zentralem Einkauf
- das kann nur für Material, Rohstoffe oder Leistungen gelten
P2P ist die durchgängige Betrachtung der Daten, die von dem Auslösen der Bestellung bis zur Bezahlung entstehen.
In meinen Projekten arbeite ich oft mit IT-Beratungshäusern zusammen, die mit der Einführung eines neuen ERP-Systems (Enterprise-Ressource-Planning-System) oder der Umstellung auf SAP HANA beauftragt sind. Für die Kollegen ist es sehr hilfreich, wenn die Prozessdokumenation bereits vorliegt. So können Sie entscheiden, aus welchen Elementen sie den P2P oder O2C zusammensetzten.
Weitere Betrachtungen von End-to-End beziehen sich auf die Folge, in denen sich Unternehmen zuarbeiten, oder auf die Folge, wie sich Abteilungen zuarbeiten - wofür ich den Begriff der Prozesskette verwende.
Wie kann man Prozessketten darstellen?
Prozessketten werden in Ablaufdiagrammen dargestellt. Früher wurde noch sehr frei in der Form modelliert, die dem Bearbeitenden gefallen hat. Heute hat sich die Verwendung von Modellierungsnotationen durchgesetzt.
Ereignisgesteuerte Prozessketten - EPK
Diese Modelllierungsnotation trägt das Wort Prozessketten in der Bezeichnung. Jedoch ist es eher eine Darstellung einzelner Prozessschritte. Eine Prozesskette, so wie ich sie verstehe, eine Folge von Prozessen, wurde damit seltener dargestellt.
BPMN - Buisness Process Model and Notation
Die Modellierungsnotation BPMN enthält eine gute Visualisierung von Verantwortlichkeiten. Dies werden in Swimlanes abgebildet und sind damit leicht nachvollziehbar. Das unterstützt die Darstellung von Prozessketten.
Prozesslandkarte
In der Prozesslandkarte wird nicht nur eine Prozesskette, sondern die Gesamtheit dieser dargestellt. Die Abhängigkeiten werden deutlich. Nicht nur wie sich die Abteilungen entlang der Prozesskette zuarbeiten, sondern auch, wo und wie Prozessketten sich gegenseitig bedingen.
FAZIT
Beginne mit dem Prozessbegriff. Wenn Du verstanden hast, was ihn ausmacht, kannst Du den nächsten Schritt gehen und die Prozesse in logischer Folge aneinander reihen. Prozessketten stellen dar, wie die Zusammenarbeit über Abteilungen hinweg funktioniert.
Für Prozesskette wird auch das Synonym End-to-End-Prozess benutzt. Im IT Kontext bezieht es sich auf die Datenverarbeitung im Informationssystem.
Die Formulierung von Prozessketten ermöglicht uns, prozessorientiert auf unser Unternehmen zu schauen. Das hilft uns, nicht mehr an Bereichsgrenzen Halt zu machen, sondern das große Ganze zu sehen.
Besonders hilfreich ist die Betrachtung der Prozessketten vom Kunden aus. Sie machen eine Kategorisierung von wertschöpfenden Prozessketten, supportenden und managenden möglich.
Die lässt uns ganz anders auf das Unternehmen schauen, als wir es bisher gewohnt sind. Das Instrument zur Darstellung der Gesamtheit der Prozessketten ist die Prozesslandkarte.