Autorin Simone Glitsch, 24.03.2025

Prozesshierarchie, Prozessarchitektur, Prozesshaus – was unterscheidet sie?

Wenn ich mit Prozessmanagement Inhouse Beratern spreche, höre ich oft: „Wir brauchen erstmal eine Prozessarchitektur.“ In diesem Blogartikel erfährst Du, wie Du die Prozessarchitektur/ die Prozesshierarchie/ das Prozesshaus/ das Prozessmodell Deines Unternehmens betrachten kannst. 

Prozesshaus

Der Begriff Prozesshaus wird sehr unterschiedlich verwendet. Mal begegnet er mir als Überschrift über eine Prozesslandkarte mit der Unterteilung in die Prozessarten Managementprozesse, Führungsprozesse und Unterstützungsprozesse, mal ist wird Prozesshaus als Überschrift über eine Liste von Prozessen verwendet. Mal gibt es ein unternehmensinternes Modell, wie man die Prozesse bis zu Teilprozessen zuschneiden möchte. Mal ist es in einem Tool wie SAP Signavio das Eingangsportal zur hierarchischen und strukturierten Darstellung von Geschäftsprozessen.

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Als Prozesshaus wird gern die Sammlung von Prozessen bezeichnet.

Der Begriff des Prozesshauses ist nahe an einem weiteren oft verwendeten Begriff und lässt sich gut in den Zusammenhang binrgen:

Prozessarchitektur

Wir brauchen erstmal eine Prozessarchitektur – das hört sich für mich so an, als wenn man auf der grünen Wiese den Entwurf eines Hauses skizzieren möchte. Und das finde ich sehr verwunderlich, denn dieses Haus ist ja schon bewohnt. Das Unternehmen existiert bereits.

Man meint wohl eher, dass man verstehen möchte, wie die Architektur des Hauses gestaltet ist.

Ein Prozesshaus ist ein unsichtbares Haus. Es ist ein gedankliches Konstrukt, wie Unternehmen aufgebaut sind. Es wird nie anfassbar sein. Das macht es uns am Anfang sehr schwer.

Das Schöne jedoch ist: Unternehmen sind alle nach einem Bauplan gebaut. Dieser wird wie selbstverständlich angewandt. Er ist uns nur als Bauplan des Unternehmens nicht bewusst. Ich spreche hier vom Organigramm.

Das Organigramm steht für die Ablauforganisation. Wir visualisieren in der pyramidenförmigen Anordnung von Kästchen – der Prozesspyramide –, welche Abteilungen es gibt und wie sie hierarchisch gesteuert werden.

Das Organigramm ist der Bauplan, mit dem ich die Zimmer des Prozesshauses finde. Und wenn ich die kenne, dann kann ich auch den Weg durch die Zimmer in den Garten finden.

Aus der Aufbauorganisation kann ich die Ablauforganisation ableiten, wenn ich das Ziel kenne. Das Ziel ist die Wertschöpfung, also das, was das Unternehmen verkauft. Wenn ich der Wertschöpfung folge, dann komme ich durch die verschiedenen Zimmer des Hauses und habe damit meinen Ablaufplan.

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Die Prozessarchitektur muss nicht neu für das Unternehmen entworfen werden, sondern ist in der Aufbauorganisation zu finden.

Das war jetzt eine etwas längere Erklärung zum Begriff Prozessarchitektur. Das Beispiel mit dem Haus war recht anschaulich, doch die Realität ist leider etwas komplexer.

Unser Prozesshaus hat mehrere Etagen. Die gilt es voneinander zu unterscheiden. Ich kann meinen Wegeplan – meine Prozessdokumentation – nicht wegweisend gestalten, wenn ich einfach einen Weg einzeichne und dabei die verschiedenen Ebenen Keller, Erd- und Obergeschoss des Hauses missachte.

Wir müssen uns also die Ebenen des Prozesshauses anschauen.

In allen Prozessmodellen ist man sich einig: es muss mindestens vier Prozessebenen geben. Jede Prozessebene hat einen Namen und kann so gut gefunden werden. Keller meint “eine Etage nach unten” und Obergeschoss “eine Treppe rauf”.

Die meisten Prozessmodelle haben jedoch kein Erdgeschoss. Sie haben Angaben, dass es Prozessebenen gibt, jedoch nicht, welche davon aus der Straßenebene zu erreichen ist. Dies macht die Orientierung schwierig.

 

Prozesshierarchie 

In der Literatur ist auch von dem synonym verwendeten Begriff der Prozesshierarchie zu lesen. Der Begriff Hierarchie wird hier im klassischen Sinne einer Rangfolge benutzt. In vielen BPM-Tools wie Signavio finden wir diese Idee wieder.

Wenn man hier in BPMN einen Prozess modelliert und noch weiter ins Detail möchte, dann arbeitet man mit einem Aufrufprozess und erzeugt eine Ebene darunter. Hier kann man dann wieder einen Prozess modellieren. Falls das nicht ausreicht, geht man wieder eine Ebene tiefer. So entstehen verschiedene Ebenen, die Prozesse in unterschiedlichen Detaillierungsgraden zeigen.

Die im Tool ausgewiesenen Prozessebenen 1 und 2 erzeugen über die Beschriftung 1 und 2 wie bei einem Treppenhaus die Idee, dass die Ebene 1 immer über eine Treppe und die Ebene 2 über zwei Treppen zu erreichen ist.

Doch im Tool ist das nicht so. Da kann eine Treppe mal aus 3 und die andere aus 10 Stufen bestehen. Dadurch liegen die Ebenen 1 bei einem Prozess mal auf dem 3-stufen Niveau und bei einem anderen auf dem 10-stufen Niveau. Also nicht mehr verlässlich auf einer Ebene, wie wir es von Bauwerken gewohnt sind.

Das im Tool modellierte Bild stimmt nicht mit dem überein, was wir aus der Realität kennen. Das fällt uns nicht immer direkt auf. Wir merken jedoch: da stimmt was nicht. Es verwirrt uns.


Prozessmodell

Ich beschreibe gerade wieder das bekannte Phänomen, dass die Prozesswelt uns nebulös erscheint – nicht gut greifbar. Herausgearbeitet haben wir nun die Ursache. Diese liegt in der fehlenden Referenz. Um im Bild zu bleiben: Es ist nicht klar, wo die Straßenebene – das Erdgeschoss – ist.

Das richtige Prozessmodell ist die allgemeine Idee, wie Unternehmen aufgebaut sind. Mit diesem Plan kann man über die Straßenebene – die Referenz – in das Haus hineingehen und schnell begreifen, wo man welche Räume findet und wie man durch das Haus in den Garten kommt.

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Um die Prozesse des Unternehmens verständlich zu beschreiben, ist ein Prozessmodell mit Referenz notwendig.

Kurz: Ich denke, dass der Begriff des Prozessmodells am ehsten den Aspekt hervorhebt, dass es um das Greifbarmachen der Realität mit Hilfe eines allgemeinen Modells geht. Dieser Thematik habe ich mich ausführlicher gewidtmet und unter andererm 10 Dinge, die Du zu einem Prozessmodell wissen solltest, in einem Artikel ausgearbeitet.


Warum werden die Begriffe gleichwertig verwendet?

Bei meinen Recherchen zum Thema habe ich herausgefunden, dass die Begriffe Prozesshierarchie, Prozessarchitektur, Prozesshaus und -modell synonym verwendet werden, ohne dass man sich darüber im Klaren ist.

So habe ich in einem gut ausgearbeiteten Werk ‚Geschäftsprozessmanagement in der Praxis‘ (Hermann J. Schmelzer, Wolfgang Sesselmann,  9. Auflage) jeweils eigene Kapitel bzw. gesonderte Abschnitte zu den Begriffen gefunden.

Bisher konnte man auf dieses Modell verzichten, weil wir lange Zeit sehr punktuell auf die Prozesswelt geschaut haben.

So wie zum Beispiel aus Sicht der ISO 9001. Hier sind einzelne aufzunehmende Prozesse benannt, die zu beschreiben sind. Diese werde auditiert, das Unternehmen erhält das Zertifikat und meint, die Prozesse des Unternehmens sind dokumentiert.

In einem anderen Fachgebiet, der IT, läuft es ähnlich, wenn es um die Automatisierung einzelner Prozesse geht – beispielsweise um überschaubare Workflows zur Freigabe von Dokumenten. Auch hier ist eine punktuelle Betrachtung von Prozessen Grundlage für die Abbildung von Prozessen.


AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Bisher ging es nicht darum, die gesamte Prozesswelt zu verstehen. Es ging nur um die Abläufe, die automatisiert werden sollen oder von der ISO 9001 verlangt werden.


Die Idee, alle Prozesse und deren Zusammenhänge zu verstehen, scheint jetzt erforderlich zu werden. Jetzt, wo wir die Möglichkeit haben, das gesamte Unternehmen zu automatisieren und die darin agierenden unterschiedlichen IT-Systeme (wie ERP,  CRM, CMS und Freigabe Workflows) zu orchestrieren, Konzepte gemeinsam spielen zu lassen.

Bisher hören wir allenfalls Katzenmusik, weil jedes System für sich spielt. Um zu einem wohlklingenden Musikstück zu kommen, brauchen wir deshalb sowohl ein gleiches grundlegendes Notenverständnis als auch eine Komposition, die das Unternehmen zum Klingen bringt. Momentan ist unsere Herausforderung noch, sich auf die gleiche Tonart zu einigen.


AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Wir haben kein gemeinsames Verständnis von Prozessen. Dieses brauchen wir jedoch jetzt unbedingt, um Prozesse orchestrieren zu können.

FAZIT

Die Prozesswelt hat einen Bauplan, der allen Unternehmen zugrunde liegt. Mit einem allgemeinen Verständnis des Bauplans wird man sich das Haus – das Unternehmen –anschauen und schnell den individuellen Plan verstehen. Dieser individuelle Bauplan des Unternehmens liegt in Form des Organigramms meist schon vor. 

Aus dem Organigramm heraus lässt sich die Ablauforganisation, also der Wegeplan durch das Haus ableiten. Der Wegeplan muss beachten, dass es verschiedene Prozessebenen gibt. Genau das wird meist in der Prozessarchitektur, Prozesshaus oder auch Prozesshierarchie genannt, deutlich gemacht.

Leider fehlt jedoch die Angabe einer Referenz, die es möglich macht, ein immer gleiches Verständnis von den Ebenen des Hauses zu haben. 

Genau das ist die Besonderheit des Giersberg®-Prozessmodells. Es ist das einzige Prozessmodell, das eine Referenz definiert. Deshalb eignet es sich besonders gut, um die eigene Prozesswelt schnell greifen zu können.

Simone Glitsch

Mentorin für Inhouse Prozess-Projekt-Leitungen


Früher war ich klassische Beraterin. Doch nach 25 Jahren und über 100 Projekten habe ich beschlossen: Ich mache es anders. Heute bin ich darauf spezialisiert, Prozess-Projekte für große Unternehmen erfolgreich zu machen. 

Statt 'Versuch und Irrtum' führe ich meine Kunden mit Giersberg®-Prozesssystem schnell und mit geringstem Aufwand zum Ergebnis. Ich stehe Dir als Projektleiter:in wie ein Personal Trainer zur Seite und unterstütze Dich mit einem Train-the-Trainer System.

So wirst Du erfolgreich in Deinem Unternehmen eine prozessorientierte Organisation mit Prozessautomatisierung umsetzen.

Mehr dazu auf meiner Webseite Simoneglitsch.de



Du willst die Prozesse Deines Unternehmens schnell finden, vollständig und doch einfach abbilden?


Verstehe die Grundlagen. Lies das Buch!