Wofür brauchen wir Process Governance?
Prozesse sind ja nichts Neues.
Alle Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden haben sich schon mit ihnen beschäftigt:
- Ein Unternehmensbereich wurde zertifiziert und hat Prozesse mit Tool A aufgenommen.
- In einem anderen Bereich mussten Schwachstellen beseitigt werden, der Chef fand Tool B gut.
- In der nächsten Abteilung hat die Führungskraft zwar ebenfalls Tool B benutzt, jedoch eine andere Modelliersprache verwendet.
Fazit: Keine Prozessdarstellung gleicht der anderen.
Es sind viele unterschiedliche Prozessdesigns entstanden.
Nun sollen alle Prozesse des Unternehmens erfasst, die Schnittstellen erkannt und End-to-End optimiert werden.
Doch die unterschiedlichen Prozessdarstellungen sind wie ein brabbelndes Durcheinander, ohne gemeinsame Sprache.
Man muss sich mit jeder Form der Prozessbeschreibung eingehend beschäftigen, um sie zu verstehen. Es ist unmöglich, die gesamte Prozesslandschaft direkt zu erfassen.
So können die Schnittstellen nicht erkannt werden. Und damit rückt auch die End-to-End Prozessoptimierung in weite Ferne.
Genau an dieser Stelle wird Process Governance interessant.
In diesem Artikel erhältst Du einen Überblick über die 8 häufigsten Fragen rund um die Process Governance.
Was ist Process Governance?
DEFINITION Prozess Governance
Prozess Governance enthält alle Instrumente und Regelungen, um das Prozessmanagement eines Unternehmens einheitlich zu gestalten und zu entwickeln. Sie setzt dadurch Standards, wie das Prozessmanagement entwickelt und betrieben werden soll.
Prozess Governance oder Process Governance? Tja, Governance ist ein englischer Begriff, den wir übernommen haben. Ob wir die deutsche oder englische Schreibweise des Prozessbegriffs verwenden, ist wohl Geschmackssache – keine ist falsch.
Bekannt ist der Begriff auch als "BPM Governance", also Governance Deines Business Process Managements. Ein drittes gebräuchliches Synonym für Prozess Governance ist "Instrumente des Prozessmanagements".
Warum brauchen wir Prozess Governance?
Prozess Governance stellt das Handwerkszeug zur Verfügung, damit die Prozesse nach einem Muster aufgenommen und dokumentiert werden. Du bewirkst damit, dass alle Fachbereiche EINE Prozesssprache sprechen und sich ohne großen Aufwand verstehen.
AUF DEN PUNKT GEBRACHT
Ohne Process Governance ist es unmöglich, ein nützliches Prozessmanagement in größeren Unternehmen zu etablieren.
Entwickeln die Bereiche einer Firma jeweils ihre eigene Sprache und eigene Regelungen, so wird das gesamte Prozessmanagement ad absurdum geführt.
Erster Zweck des Prozessmanagement ist das Erkennen der Prozesse und deren Lauf durch das Unternehmen.
Und das heißt zwingend, dass die Prozesse der einzelnen Bereiche bzw. Abteilungen für alle verständlich abgebildet werden müssen. Anders ist es nicht möglich, ein Bild der gesamten Prozesslandschaft zu erhalten.
Was enthält Prozess Governance?
Prozess Governance enthält folgende Elemente:
- den Entwicklungsplan des Prozessmanagements
- die Prozesslandkarte
- das Dokumentationsmodell
- die Prozessbeschreibungen
- die Metaprozesse des Prozessmanagements
- die Prozesskennzahlen
- die Rollen
- das Begriffswiki
- das Prozessaudit

Vielleicht staunst Du jetzt, wie viele Elemente die Process Governance umfasst. Fragst Du Dich:
Reichen denn nicht Templates für Prozessbeschreibungen?
Das kann ich Dir klar beantworten: Nein, sie reichen nicht.
Die Aufnahme der Prozesse ist nämlich „nur“ der Anfang.
Prozessmanagement entfaltet seine Wirkung in der Phase der Prozessoptimierung. Erst wenn die Prozesse optimiert sind und diese Prozessoptimierung im Arbeitsalltag umgesetzt wird, erfolgt ein erster Return-on-Investment.
Ich spreche hier nur von einem ersten Return-on-Investment, weil das Prozessmanagement in mehreren Phasen entwickelt werden kann. In der zweiten Phase kann bei weniger Aufwand ein größerer Nutzen als in der ersten Phase generiert werden.
Es ergibt also sehr viel Sinn, das Prozessmanagement im gesamten Unternehmen einheitlich zu gestalten und mit Blick auf ein großes Ziel weiterzuentwickeln.
Ist es relevant für uns?
Die BPM Governance ist für alle Unternehmen relevant.
Kleine Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden benötigen jedoch nicht alle – und nicht so ausführliche – Regelungen wie größere Unternehmen. So kann in kleineren Unternehmen auf ein Begriffswiki verzichtet werden, und es werden nur wenige Prozessrollen benötigt.
Je größer das Unternehmen, desto detaillierter muss die Prozess Governance ausgearbeitet werden. Hinzu kommt, dass sie als Teil der Cooperate Governance mit der Governance anderer Fachbereiche wie IT und integrierte Managementsysteme abgestimmt werden muss.
Wann beginnt man mit der BPM Governance?
Mit der Process Governance solltest Du Dich früh – also noch vor der Prozessaufnahme oder dem Neustart des Prozessprojektes – auseinandersetzen.
Du solltest wissen, was es für Elemente beinhaltet und in welcher Tiefe sie ausgearbeitet werden sollten.
Die gute Nachricht:
Zu Beginn des Projektes werden nicht alle Elemente benötigt. Es ist ausreichend, die Instrumente und Regelungen auszuarbeiten, die in dem nachfolgenden Entwicklungsschritt einzusetzen sind.
Mein Tipp
Habe klar vor Augen, in welchen Etappen sich Prozessmanagement entwickelt und wann Du welche Elemente benötigst.
Wer entwickelt die Process Governance?
Oftmals gibt es noch keinen Bereich, der für die Konzeption des Prozessmanagements zuständig ist. Daher wird die Einführung von Prozessmanagement als Projekt gehandhabt. So ist das gesamte Projektteam aufgefordert, die Grundlagen für die Process Governance zu legen.
Soll Prozessmanagement wirksam umgesetzt werden, muss die Projektorganisation zu einer eigenen Organisationseinheit entwickelt werden. Diese Organisationseinheit entwickelt, schult und pflegt das Prozessmanagement und damit auch die Process Governance.
Die Organisationseinheit ‚Prozessmanagement‘ ist beratend tätig. Sie sollte als Stabsstelle direkt dem Vorstand zugeordnet werden.
Die Konzeption, Schulung und Entwicklung allein sind nicht ausreichend. Es muss auch für die Umsetzung gesorgt werden – dauerhaft!
Ist ein Process Governance Manager für die Durchsetzung empfehlenswert?
Ein Process Governance Manager ohne organisatorische Verankerung im Bereich Prozessmanagement allein kann nicht für die Durchsetzung sorgen.
Orientiere Dich an den Konzepten, die Du aus der Revision oder den ISO zertifizierten Bereichen kennst. Die Revision überprüft die Umsetzung der Vorschriften im Finanzbereich. In den ISO zertifizierten Bereichen spricht man von Audits.
In Audits wird die Umsetzung durch die Fachbereiche überprüft. Dazu werden einige Vorgänge am Arbeitsplatz auf Übereinstimmung mit den Regeln überprüft und ggf. weitere Maßnahmen veranlasst. Dies sollte zu den Aufgaben der Organisationseinheit ‚Prozessmanagement‘ gehören.
FAZIT – Prozess Governance
Process Governance ist wie die gute Ausstattung, die Du für einen Marathon brauchst. Ohne diese Ausstattung ist es fast unmöglich, den Dauerlauf durchzuhalten und am richtigen Ziel anzukommen.
Noch vor Projektbeginn solltest Du einen Überblick über die Elemente der Process Governance und die benötigten Standards vor der erneuten Prozessaufnahme ausgearbeitet haben.
Im Prozessprojekt gibst Du die Standards an die Fachbereiche weiter. Sie sorgen als Organisationseinheit ‚Prozessmanagement‘ dauerhaft für die richtige Anwendung.